Animal Well ist eine unglaublich intensive Spielerfahrung. Und das, obwohl eigentlich so viel an diesem Spiel zunächst generisch wirkt: Auf dem Papier ist es nur eines von unzähligen Metroidvanias auf Steam, die mit nostalgischer Pixelgrafik, Rätseln und Plattformer-Passagen locken. Es gibt keine Story oder echte Kämpfe und man spielt einen mysteriösen Blob.
Was nach einem unspektakulären Zeitvertreib klingt, entpuppt sich im Test aber als eine fesselnde Spielerfahrung, die noch lange nachhallt. Das Projekt eines einzigen Entwicklers überrascht nämlich mit einer genialen Idee nach der anderen.
Ein Traum ohne Erwachen
In Animal Well ist der Name Programm: Wir wachen in einem Brunnen voller Tiere auf, der sich als unterirdisches Labyrinth vor uns entfaltet. Während uns niedliche Hasen und Eichhörnchen zunächst begeisterte Oh!-Rufe entlocken, merken wir schnell, dass uns kein friedlicher Spaziergang im unterirdischen Tunnelsystem erwartet.
Denn obwohl es keine offensichtliche Geschichte gibt, baut Animal Well schnell eine zum Schneiden dichte Atmosphäre auf, die zwischendurch für Gänsehaut sorgt. Uns stellen sich regelmäßig die Nackenhaare auf, wir sind gleichzeitig neugierig und extrem angespannt.
Das liegt vor allem an den mysteriösen, sphärischen Klängen, die sich mit einer Vielzahl an Tiergeräuschen mischen, die wir nur vage zuordnen können. Sanftes Vogelgezwitscher, fernes Heulen, melodische Glockenklänge - wir vergessen nie, dass es hier lebt und brodelt, können aber selten etwas konkret zuordnen.
Raum für Raum begegnen uns neue pixelige Tiere, die uns unverwandt ansehen, verfolgen oder gar angreifen. Allerdings ist jede neue Begegnung unglaublich schwer zu durchschauen. Wir werfen zum Beispiel vor Schreck einen Feuerwerkskörper nach einer hamsterartigen Kreatur, bevor sie sich freundlich an uns heran kuschelt.
Ein niedlicher Hund wiederum packt und beutelt uns, was uns eines unserer wertvollen Herzen kostet. Animal Well fühlt sich an, als würde uns gleichzeitig jeder und niemand ans Leder wollen - und das ist großartig.
Letztlich entsteht eine Atmosphäre wie in einem Traum, in der wir glauben, etwas zu wissen - aber immer wieder aufs Neue eines Besseren belehrt werden.
Mitdenken statt Tutorials
Auch spielerisch ist Animal Well stets für eine Überraschung gut - zumindest, wenn man sich darauf einlässt. Denn damit das Metroidvania richtig zündet, müssen wir kreativ werden. Uns wird nichts vorgegeben, es gibt keine Tutorials, Erklärungen oder Hilfen.
Der unterirdische Brunnen teilt sich in vier größere Regionen auf, an deren Ende uns jeweils eine Flamme erwartet. Sammeln wir alle vier ein, öffnet sich ein fünfter Bereich, über den wir das Spiel erfolgreich beenden können. Jedes Areal widmet sich dabei optisch und bei den Mechaniken einem bestimmten Thema, wie zum Beispiel Wasser.
Hier begegnen uns dann allerlei Fische und andere Meeresbewohner, während wir Rätsel und Plattformerpassagen mit Hilfe von Seifenblasen lösen.
Welchen Abschnitt wir zuerst meistern, bleibt uns überlassen - eine festgelegte Reihenfolge gibt es nicht. Es hängt aber ein Stück weit davon ab, welche Werkzeuge wir bereits gefunden haben und wie wir sie einsetzen. So erschließen wir uns in typischer Metroidvania-Manier nach und nach vorher unzugängliche Bereiche.
Kreativität wird belohnt
Und hier glänzt Animal Well spielerisch. Denn kaum etwas lässt sich nur auf eine einzige Art einsetzen. Nehmen wir zum Beispiel die Disc, die man einer mysteriösen Statue abnehmen kann - zumindest, wenn man einen Weg findet, um anschließend nicht von einem rachsüchtigen Geist verfolgt zu werden.
Zu viel spoilern wollen wir natürlich nicht, aber hier mal ein paar Beispiele, wie man besagte Disc einsetzen kann:
- Wir werfen sie, um die lästigen Hunde abzulenken und vorbeizuhuschen
- Wir aktivieren sonst unerreichbare Hebel mit ihr
- Wir lassen sie zwischen Mechanismen hin und her fliegen, um sie abwechselnd zu bedienen
- Wir springen auf sie drauf und überwinden vorher unzugängliche Bereiche
Und, und, und ... Animal Well belohnt Kreativität und gibt uns das Gefühl, dass nahezu jede Lösungsstrategie valide ist. Solange etwas funktioniert, ist es richtig, auch wenn das Spiel vielleicht einen anderen Weg vorgesehen hat.
Unser Arsenal an Werkzeugen wächst immer weiter und eröffnet uns somit stets neue Wege. Egal ob wir nun Seifenblasen erzeugen und als Sprungbrett nutzen, per Feuerwerkskörper Gegner verschrecken oder uns gar per Flöte teleportieren. Diese praktische Alternative zur Schnellreise schalten wir frei, sobald wir zehn Eier geborgen haben - Collectibles, die sich überall in Nischen und verborgenen Räumen verstecken.
Erkunden lohnt sich in Animal Well also. Wir werden nicht nur mit neuen Routen und Abkürzungen belohnt, sondern auch mit neuen Spielmechaniken und Sammelobjekten.
Nichts für Ungeduldige
Bleiben wir irgendwo stecken, machen wir einfach woanders weiter und meistern langsam Rätselraum um Rätselraum. Allerdings muss man trotzdem etwas Geduld und Frusttoleranz mitbringen, um Animal Well als Erfahrung in den rund 5 bis 7 Spielstunden voll auszuschöpfen.
Denn weil es eben keine Hilfen oder Erklärungen gibt, stolpern wir oft in unser Ende oder probieren lange an Passagen herum, für die uns noch die nötigen Werkzeuge fehlen. Trial & Error gehört so unweigerlich mit dazu. Betreten wir einen neuen Raum, wissen wir oft nicht, ob uns das Tier darin nun Schaden zufügt oder hilft oder ob plötzlich aus dem Nichts eine andere Gefahr auftaucht.
Selbst mit bedachtem Vorgehen lässt sich so der eine oder andere Schock nicht vermeiden. Speichern können wir zudem nur an den in den Leveln verstreuten Telefonen. So passiert es oft, dass wir mehrere Räume meistern, im letzten Abschnitt scheitern, zurück teleportiert werden und alles nochmal angehen müssen, bis wir endlich eine Abkürzung freischalten oder die abschließende Belohnung für den Bereich in den Händen halten.
Weil die meisten Rätsel sich spaßig, flott und intuitiv spielen, fühlt sich Animal Well selten wirklich unfair an. Trotzdem braucht es manchmal viel Geduld und Neugierde, um nicht zwischendurch die Lust zu verlieren.
Animal Well baut eine unglaublich packende Atmosphäre auf, indem es eine Welt erschafft, in der kaum etwas so ist, wie es scheint. Dadurch fühlt es sich extrem fesselnd und lohnend an, sich Raum für Raum zu erschließen. Man kann seiner Kreativität freien Lauf lassen und sämtliche Werkzeuge auf kreative Weise einsetzen, um Bosse auszutricksen, Rätsel zu lösen oder Plattformer-Passagen zu meistern.